Jährlicher Lagebericht des Ungarischen Kartellamtes (GVH): wesentlicher Beitrag zum Schutz der Verbraucher im Jahr 2020

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Der erstmals vorgelegte jährliche Lagebericht des Ungarischen Kartellamtes (GVH) kann bereits auf der Homepage des Amtes eingesehen werden

Neben den bei den Verwaltungsämtern der ungarischen Regierung angesiedelten lokal zuständigen Verbraucherschutzbehörden spielt auch das Ungarische Kartellamt (nachstehend: GVH) immer mehr eine unabdingbare Rolle beim Schutz der ungarischen Verbraucher. Die Irreführung der Verbraucher und der Einsatz sog. aggressiver Geschäftspraktiken gegenüber den Verbrauchern können auch das GVH in Wahrnehmung seiner Verbraucherschutzaufgaben auf den Plan rufen. Seit Dezember 2019 ist auch zunehmend zu sehen (und in der Regel auch in Presseberichten zu lesen), dass das GVH selbst die Feststellung erheblicher Geldbußen in Milliardenhöhe nicht scheut, wenn es auf den Schutz des Verbrauchers ankommt. Die Verbraucherschutzbefugnisse des GVH werden daher allmählich von allen Unternehmen bei der Planung ihrer Werbung und – im Idealfall – auch vor der Veröffentlichung für Verbraucher bestimmter Informationen berücksichtigt.

Bevor ich einige interessante Feststellungen aus dem Lagebericht hervorhebe, möchte ich daran erinnern, dass die Kompetenz zur Verfolgung unlauterer Geschäftspraktiken in Ungarn auf drei Behörden, nämlich die Verbraucherschutzbehörden, das GVH und die Ungarische Nationalbank (MNB), verteilt ist. Unter unlauteren Geschäftspraktiken sind dabei alle unlauteren Verhaltensweisen – Handlungen und Unterlassungen gleichermaßen – zu versehen, die mit dem Verkauf und der Bereitstellung von Waren und der Förderung ihres Absatzes unmittelbar zusammenhängen. Vereinfacht kann alles, was das Unternehmen im Interesse der Steigerung der Attraktivität seines Produktes oder seiner Dienstleistung – online oder in gedruckter Form – veröffentlicht oder eben verschweigt, als Geschäftspraktik qualifiziert werden. Handelt es sich dabei um eine Geschäftspraktik, die eine Relevanz für den Wettbewerb hat, gehört sie in die sachliche Zuständigkeit des GVH. Es geht dabei typischerweise um Werbemaßnahmen und Verbraucherinformationen, die etwa im Programm eines überregionalen Mediendienstleisters, in einer überregional verbreiteten Zeitschrift oder in einer Tageszeitung, die in mindestens drei Komitaten verbreitet wird, platziert werden. Beim Einsatz von Werbeträgern mit geringerer Reichweite und bei irreführenden Angaben auf der Verpackung des Produktes gehört die Kontrolle in die sachliche Zuständigkeit der am Sitz des rechtswidrig handelnden Unternehmens örtlich zuständigen Verbraucherschutzbehörde. Der Ungarischen Nationalbank (MNB) kommen im Bereich Verbraucherschutz insoweit Aufgaben zu, als sie in der ihrer Aufsicht unterliegenden Finanzbranche auch über die Lauterkeit der Geschäftspraktiken wachen muss. Bei der Hörfunk- und Fernsehwerbung, die eine erhebliche Auswirkung auf den Wettbewerb haben kann, müssen hingegen alle Werbetreibenden unabhängig von ihrer Branche mit dem wachsamen Blick des GVH rechnen.

Sehen wir uns nun näher an, was sich 2020 in den verbraucherschutzbezogenen Verfahren der Wettbewerbsaufsicht GVH im Vergleich zu 2019 geändert hat.

Einerseits hat sich die Zahl der beim GVH eingehenden Hinweise im Jahr 2020 erhöht. Wegen des Verdachts unlauterer Geschäftspraktiken erhielt die Wettbewerbsbehörde 2020 insgesamt 1.441 Beschwerden und 108 Anzeigen von Bürgern und Unternehmen, d. h. 33% mehr als im Vorjahr 2019. Hervorzuheben ist, dass das GVH im Jahr 2020 30 Beschwerden mehr als im Jahr 2019 (insgesamt 83 Beschwerden) für geeignet dafür befunden hat, ein wettbewerbsbehördliches Verfahren einzuleiten. Dies bedeutet, dass Werbemaßnahmen eines Unternehmens nicht nur von Wettbewerbern mit Argusaugen beobachtet werden, um bei Gelegenheit ein verbraucherschutzbezogenes Verfahren der Wettbewerbsbehörde mit einer sorgfältig verfassten (mittels des hierfür vorgesehenen Formulars eingereichten) Anzeige „auszulösen“, sondern auch Verbraucher können derartige Verfahren mit einer in einfacher Sprache zu Papier gebrachten Beschwerde generieren.

Andererseits wurden auch die 2019 aufgestellten Rekorde im Bereich der wegen der Irreführung der Verbraucher verhängten Geldbußen im Jahr 2020 gebrochen, indem das GVH etwa dem niederländischen Unternehmen, das die Website booking.com betreibt, eine Rekordbuße von 2,5 Milliarden HUF auferlegt hat. Auch ALZA, Ungarische Telekom und Biotech erhielten eine Geldbuße in dieser Größenordnung. Allem Anschein nach sind also die in verbraucherschutzbezogenen Verfahren der Wettbewerbsbehörde verhängten Geldbußen somit dauerhaft in der Größenordnung anzusiedeln, die bislang nur bei Geldbußen in Kartellsachen bekannt war. Dieser Umstand verleiht auch der professionellen Planung sowie der vorangehenden Risikoanalyse und Bußgeldberechnung eine größere Bedeutung. Es steht also viel auf dem Spiel – vor allem für Rückfalltäter, deren wiederholte Verstöße vom GVH u. U. mit noch höheren Geldbußen geahndet werden.

Was drittens aus dem Lagebericht auf jeden Fall hervorgehoben werden muss, ist der 2019 begonnene und sich auch im Jahr 2020 fortsetzende Trend einer Akzentverschiebung in Richtung Selbstverpflichtungen: 2020 hat das GVH in 20% der abgeschlossenen Fälle, bei 7 Unternehmen, eine Selbstverpflichtung akzeptiert, deren Gesamtwert – zusammen mit den Auflagen zur Entschädigung von Verbrauchern – mehr als 2,1 Milliarden HUF und somit das 3,5-Fache des Wertes des Vorjahres 2019 betrug. Vereinfacht gesagt, waren Unternehmen, die sich bereit erklärt haben, „tätige Reue“ zu zeigen und eine Selbstverpflichtung u. a. zur finanziellen Entschädigung der Verbraucher einzugehen, meistens erfolgreich in ihren Bemühungen zur Abwendung drohender Geldbußen. Es kann sich also lohnen, zumindest nachträglich Einsicht zu zeigen, auch wenn dies ebenfalls mit ernsthaften finanziellen Folgen einhergeht. Den im Lagebericht enthaltenen Statistiken zufolge hat das GVH die Anstrengungen der kontrollierten Unternehmen zur nachträglichen Herstellung der Rechtskonformität mit Bußgeldminderungen bis zu 192 Millionen HUF, den Verzicht auf Rechtsmittel mit einer Bußgeldminderung in Höhe von 86 Millionen HUF und die Anerkennung der begangenen Rechtsverletzung mit einer Minderung des Bußgeldes um 116 Millionen HUF im vergangenen Jahr „honoriert“.Diese „Rettungsringe“ werden Unternehmen selbstverständlich auch 2021 zweifelsohne zur Verfügung stehen, wenn Risiken eines bereits eingeleiteten Verfahrens der Wettbewerbsbehörde gegengesteuert werden soll. Viel kostenschonender ist indes, wenn ein derartiges Verfahren erst einmal gar nicht eingeleitet wird, weil unser Unternehmen im B2C Bereich professionell wirbt und kommuniziert. Der Ausgangspunkt hierfür ist jedoch, dass geplante Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen noch vor ihrer Durchführung als permanenter Teil der internen Abläufe des Unternehmens einer professionellen rechtlichen Prüfung unterzogen werden.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung ihrer Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen. Zögern Sie nicht, uns unter unseren Erreichbarkeiten zu kontaktieren!

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